Es
war am Tage nach dem Fest der heiligen drei Könige des Jahres 1489. Kaiser
Maximilian, damals von den deutschen Kurfürsten zum römischen König erwählt,
war auf Kriegszug in Holland.
Trotz
Sturm und Eisgang überquerte er voll Mannesmut mit Ritter Florian von Waldauf
zu Waldenstein und wenigen seiner Getreuen, von Amsterdam nach Speerdam, die
Zuidersee. In schwerster Stunde grausamster Seenot taten beide folgendes
Gelöbnis:
„Zum
anderen wollen wir stiften, wenn wir gerettet sind, der hochgelobten Jungfrau
und Muttergottes zu Ehren, ein wunderschönes Ehrenmal bei uns zu Lande.“
Und
sie kamen alle glücklich ans Ziel. Ritter Florian von Waldauf traf sogleich
nach seiner Rückkehr in die Heimat Anstalt, sein Gelübde zu erfüllen und ließ
zum Dank für die wunderbare Rettung in
Hall in Tirol ein dreifaches, pittoreskes Heiligtum errichten.
Maximilian
aber zog unverzüglich auf seine geliebte Jagd und verschob die Erfüllung seines
Gelübdes von einem Jahr zum anderen.
In
Spital am Pyhrn stand im Mittelalter ein Hospiz, das Kreuzfahrern, Pilger- und
Händlerscharen die über den Paß gen Italien zogen , als Herberge diente. Als
Maximilian wieder einmal aus dem Süden über das Gebirge kam, es mag um das Jahr
1506 gewesen sein, ging er und sein Gefolge mit Glanz und Weihe in die
stiftliche Kirche, um dem allmächtigen Gott zu danken, zu loben und zu preisen.
Beim Festmahl erinnerte sich der Kaiser plötzlich seines Gelübdes.
„Ich
bin ein Sünder, denn ich habe bis heute mein Gelübde nicht eingelöst! So will
ich denn mein Gelöbnis einlösen und zum Bildschnitzer Erhart nach Augsburg
eilen. Soll eine Madonna schnitzen, die ich „Unserer Lieben Frau am Stein“
stiften werd.
Überraschend
machte der Kaiser dem Meister am Kitzmarkt zu Augsburg seinen Besuch. „Meister
Erhart,“ sprach Maximilian mit geheimnisvoll klingender Stimme; „ du bist
berufen, mir mein Gelöbnis von der Seele zu nehmen. Schnitz eine himmlisch
schöne Madonna, eine Schutzmantel-Muttergottes, voll Liebreiz und
Holdseligkeit, für des Frauensteiner Kirchlein in Innerösterreich, zu Lob und
Ehren der gebenedeiten Jungfrau Maria! Für deine Mühe wird dir der Fugger Lohn
geben. „
Wenige
Wochen später konnte der Meister den reichen Augsburger Kaufherren ehrfurchtsvoll
willkommen heißen. „Kommet gnädigst in meine Werkstatt!“ Mit diesen Worten wies
er dem Handelsherrn den Weg durch den Garten. Sodann begann Jakob Fugger
langsam zu sprechen, auf dass er auch wohl verstanden werde.
„Habe
Nachrichten vom Kaiser. Sein Wille ist zu loben! Der Kaiser bestellt tunlich
die teuersten Schnitzwerke und sein Untertan soll sie bezahlen. So kann das
nicht mehr lang weitergehen. Auch ein Fugger wird ein Bettler mit diesem
Kaiser. Aber schnitz er halt eine schöne Madonna und spar er nicht an Blattgold
und Ultramarin. Ich geb ihm 300 Gulden!“
Es
ist zu erwähnen, dass dieses echte Ultramarin jener tiefblaue Farbstoff war,
der schon im frühen Altertum durch ein langwieriges Verfahren aus dem heute
noch hochgeschätzten Lasurstein –Lapis lazuli- gewonnen wurde. Dieses in
Gangart eingebettete Mineral wurde mechanisch feinstens zerrieben, mit einem
besonderen Kitt vermengt und dann in Tüchern unter Wasser einer langen
Knetbehandlung unterworfen, wobei die kostbarsten Farbteilchen aus der Masse
herausgetrieben wurden und sich allmählich im Wasser verteilten. Das reine
Mineral nannte man im 16. Jahrhundert, weil es über das Meer nach Europa kam,
Azurrum ultramarinum, von welchem berichtet wurde, dass es im Werte dem Gold
gleich war.
Der
Meister hatte alle Kräfte daran gewendet, den faltenreichen Mantelwurf zu
studieren und die schweren Flechten der Haare, über die Schulter aufgelöst,
wiederzugeben.
Frühmorgens,
wenn seine Familie noch schlief, öffnete er leise die Werkstatt und arbeitete
mit echter Gläubigkeit schweigend an dem Madonnenbildnis. Erstaunt ob dieses
geheimnisvollen Gebarens, überraschte ihn einmal seine Frau. Sie wagte aber
nicht zu stören.
Schließlich
flüsterte sie aber liebevoll: „Mann das wird dein bestes Stück“. „Für Maria,
die Mittlerin aller Gnaden, schnitze ich eine mächtige Krone; der Jesusknabe
auf dem Schoße erhält einen Kranz Rosen in harmonischer Ganzheit“; fügte der
Meister, zwischen Phantasie und Wirklichkeit schwebend, eifrig hinzu.
Fast
zwei Meter war die Statue hoch und zwei Engel hielten die Mantelflügel
auseinander. In einem Jahr war das schwierige Werk beendet und strahlte in
wunderschöner Lieblichkeit. Als der Meister gerade letzte Hand anlegte und die
figürliche Mantelfrau mit Gold und Farbe schmückte, kam abermals Fugger und sah
das Gnadenbild zum ersten Male, das er bisher nur geahnt hatte. „Ich bin
zufrieden mit ihm. Das vollendete Bild ist unvergleichlich schön, „ lobte der
Kaufherr. Des ward der alte Meister baß zufrieden.
Er
musste selbst mit der Madonna ins obere Steyrtal fahren. Bald waren die
Vorbereitungen getroffen und sorgfältig verpackt stand das kostbare Heiligtum
zur Abreise bereit.
Als
die Morgensonne den Kitzmarkt wärmte, fuhren die schweren Wagen ab, zunächst
bis Salzburg. Der Weg war weit und beschwerlich. Spätabends am zehnten Reisetag
erwartete in Steyr der Burggraf von Polheim das Gefährt und reichte dem
schwäbischen Künstler zum Zeichen der Gastfreundschaft edles Rebenblut.
„Tragt eure Fackeln zum Schuppen, wo die Madonna eingestellt, „ befahl der Burggraf den Knechten; „und lasst mich sie sehen, auch wenn es Nacht ist.“ Als der Fackelschein das Antlitz der Gottesmutter, wie verklärend, beleuchtete, kam es dem Grafen über die Lippen: „Wir wollen die Ersten sein, die vor ihr knien!“
Im
wildromantischen Tal der Steyr, die ihr Bett durch den engen Steyrdurchbruch
zwängt, führte die Fahrt über einen stillen Waldweg zum reizenden Örtchen
Frauenstein, hoch auf begrünter Kuppe.
Wie
einzigartig war doch die Landschaft! Über sanftgewelltem Hügelland drängt sich
eine Hochwelt bis zum großen Priel, der mit 2500 Meter Höhe, schneebedeckt, bis
ins Tal hinab sichtbar, dasteht.
Viele
Pflanzenkinder alpiner Herkunft hatten sich am Wege eingefunden. Zu
kugelköpfigen Rapunzeln und schön gezeichnetem Frauenschuh gesellten sich
schwarzviolette Akeleien, und neigten vor dem Geleit ihre zarten
Blumenköpfchen. Schneelicht kam vom Toten Gebirge entgegen, als das Gespann auf
dem Kirchhügel anhielt. Die letzten Abendstrahlen zuckten hinter den
aufgetürmten Wolken und schnitten die kühne Kremsmauer mit scharfen Kanten in
den Abendhimmel. Vom Sensengebirge aber stieg der Mond und beglänzte das
Ruhebild um Frauenstein.
„Das
Standbild der Schutzmantelmadonna ist dieses Fleckchens Erde würdig; den hier
paaren sich gar glücklich Natur und Kunst,“ erklärte der Meister und umfasste
nochmals die Schönheit der Gegend mit langem Blick.
Hoch
grüßt prunkvoll Schloß Klaus herüber, in welchem Kaiser Maximilian anlässlich
einer Jagd in friedlicher Einsamkeit gerade residierte. Dies traf sich gut. Als
der nahenden Meister gewahrte, ritt er nach Frauenstein.
Dort
wurde das Kunstwerk im Kirchenschiff, links auf einem abgetragenen Altar
feststehend, errichtet. In einer niederen Holzbank saß der Meister zuweilen
allein im Dämmerschein, die schaffenden Hände ineinandergelegt, und durfte so
die wahre Schöpferfreude erleben. „O, du schöne Schutzmantelmadonna, ich muß
wieder fort von hier und werde dich in meinem Leben nie mehr wiedersehen. Gib
mir deinen Segen!“
So
seufzte der große Meister leise vor sich hin, als der Kaiser raschen Schrittes
durch die Pforte ging. Nun stand er vor der gütige schützenden Muttergottes und
vergaß in diesen Minuten Jagd, Macht und Land.
Im
abgetönten Licht des Kirchenschiffes schien das Bildnis so lebenswirklich, dass
er glaubte, der leibhaftigen Gottesmutter gegenüber zu stehen. Ein letzter
Sonnenstrahl, der durch das westliche Kirchenfenster fiel, erleuchtete das
Antlitz der Himmelskönigin und ließ die Krone gleißend im Goldglanz erstrahlen,
neben welcher die des Kaisers verblasste.
Er
selber ahnte vielleicht bereits, dass sein Leben langsam aus seinem Körper
schlich. Auch sein tapferer Mitstreiter, der goldene Ritter Florian von
Waldenstein und erste fromme Stifter, war schon seit 13. Jänner 1510 auf Burg Rattenberg
ob Kolsaß verstorben. Nun beugte der Kaiser sein Haupt zur Verehrung und betete
ganz in sich gekehrt:
AVE MARIA, GRATIA PLENA ...
Gegrüßet seiest Du, Maria,
Du bist voll der
Gnade,
Du
hast meinem Herzen Ruhe gebracht!
Über der Einfahrt zur alten Welserburg
prangt ein, heute restauriertes, denkwürdiges Wappen in leuchtenden Farben. Es
erinnert an den glorreichen Kaiser Maximilian I., dem „Letzten Ritter“, der
angeblich infolge eines Sturzes vom Pferde, weinige Jahre später in Wels,
hinter den großen farbenprächtigen Fenstern des schönen Renaissance – Erkers,
am 12. Jänner 1519 verschied.
Seine
gestiftete Frauensteiner Schutzmantelmadonna aber, die der Ulmer Gregor Erhart
nach den Gesetzen der Anmut und Ästhetik schuf breitet nun seit viereinhalb
Jahrhunderten ihren schirmenden Mantel nicht nur über Stifter, Ritter und
Bürger, sondern sie umfängt auch schützend all diejenigen, die ihr vertrauend
begegnen und segnet sie in milder Mütterlichkeit daselbst bis zu heutigen Tage.
Gegeben
zu Garsten bei Steyr,
so
man schreibet den Tag
„Maria-Namen-Fest“